Interview mit dem Buchautor Dr. Carsten Frerk
„Da hätte ich gewarnt sein müssen“
Mahnmal aktuell:
Herr Dr. Frerk, Sie haben ein Buch vorgelegt mit dem Titel „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland“ und vielen neuen Details. Welche Reaktionen gab es denn darauf?
Frerk:
Die katholische Kirche schweigt. Nur der Kölner Generalvikar musste sich dazu äußern, weil ich ihn in dem Buch mehrfach zitiert habe, denn er gehört zu den katholischen Managern, die sich sehr offensiv mit dem Thema „Kirchenfinanzen“ beschäftigen. Er ist deshalb selber in der katholischen Kirche sehr umstritten …
Mahnmal aktuell:
Herr Feldhoff?
Frerk:
Richtig, Herr Feldhoff in Köln. Sonst schweigt die katholische Kirche. Die evangelische Kirche hat sich schon an den verschiedensten Orten über mein Buch geäußert, und zwar immer in einem ganz typischen Dreierschritt. Der erste ist: Sie diffamieren die Untersuchung allgemein, sagen „Luftnummer“, Sammelsurium“, „mysteriös“ oder so etwas in der Art. Der zweite Schritt ist, dass sie sagen: „Wir brauchen ja diese Rücklagen, um unsere 600.000 Mitarbeiter zu bezahlen“– was schlicht gelogen ist, denn das Diakonische Werk wird nicht von der Kirche bezahlt. Und der dritte Schritt ist dann, dass sie eine Behauptung aufstellen, die ich gesagt haben soll und die sie dann angreifen – die ich aber gar nicht gesagt habe.
Mahnmal aktuell:
Das ist ja ein altes Mittel der Inquisition.
Frerk:
Haargenau. Und das ist für mich ein wichtiger Punkt. Während ich am Beginn dieser Untersuchung noch gesagt habe: „Na ja, die Kirchen, die stören mich eigentlich nicht so sehr“, bin ich durch solche Reaktionen inzwischen doch recht gallig geworden. Auch wenn ich bis dahin noch den Glauben hatte, dass die Kirche in gewisser Hinsicht schon ein sittliches Vorbild sein könnte – wenn ich den Menschen begegne, dann stelle ich fest: Mit dem einfachen Gemeindepfarrer kann man häufig noch recht gut, vernünftig, überlegt reden. Aber je höher ich in der Hierarchie gehe, umso problematischer, jammeriger, aggressiver, verlogener werden die Amtsträger.
Mahmal aktuell:
Die haben wahrscheinlich auch mehr zu verlieren. Sie haben bei Ihrem Vortrag erwähnt, jemand hätte ihre Arbeit verteufelt?
Frerk:
Generalvikar Feldhoff hat in einem Aufsatz im Rheinischen Merkur geschrieben, der Ansatz der Untersuchung sei „diabolisch“. Und ein evangelischer Theologieprofessor aus Berlin schrieb, nachdem ein Journalist in der Berliner Zeitung das Buch als „investigatives Meisterwerk“ gelobt hatte: „Schluss mit den Teufeleien!“
Mahnmal aktuell:
Das Thema Verflechtung von Kirche und Statt ist ja ziemlich tabu. Sogar die Politiker selbst sind häufig uninformiert. Sehen Sie inzwischen Anzeichen für eine Verbesserung des Informationsstandes – oder dümpelt das Thema weiter vor sich hin?
Frerk:
Es dümpelt weiter vor sich hin. Von den etablierten Parteien will keiner an das Thema ran. Warum, weiß ich nicht. Ich kann mir aber vorstellen: Wir haben immer noch 52 Millionen Kirchenmitglieder, das sind – abzüglich der unter 18-jährigen – etwa 42 Millionen Wähler. Da will offenbar keiner das Risiko eingehen, sich Wählerstimmen zu verprellen, denn die Fragen der kirchlich-mentalen Orientierung sind so hoch emotional beladen, dass man sich politisch einfach noch nichts davon verspricht.
Mahnmal aktuell:
Was müsste geschehen, damit diese finanzielle Verfilzung abgebaut wird? Wie könnte man das erreichen? Durch mehr Aufklärung?
Frerk:
Aufklärung in unserem heutigen Sinne heißt vor allem: Öffentlichkeit herstellen. Wenn wir nur in kleinen Zirkeln darüber reden, ist das keine Aufklärung. Ein Beitrag, der von einem ARD-Magazin über mein Buch fertig produziert worden war, ist von der Chefredaktion des Senders einkassiert worden.
Mahnmal aktuell:
Bei welchem Sender war das?
Frerk:
Der Journalist, der diesen Beitrag gemacht hat, hat mich gebeten, das lieber nicht zu sagen, weil das für ihn Konsequenzen haben könnte, wenn das öffentlich wird. Es gibt in den Massenmedien so etwas wie schleichenden Gehorsam. Die wollen an diesen mentalen Markt der Kulturkritik, der Denkanstöße, noch nicht ran.
Es ist eine Öffentlichkeitsbarriere da. Noch ein Beispiel: Der Humanistische Verband hatte im Februar zu einer Podiumsdiskussion über das Thema Kirche und Geld geladen, mit Kirchenvertretern und mir. Die Kirchenvertreter hatten leider alle „Terminprobleme“. Und ein Theologe hat gesagt, ich wäre ihm nicht seriös genug, dass er auf ein Podium mit mir gehen würde. Das heißt: die Kirche scheut auch ganz bewusst die Öffentlichkeit. Warum soll sie über Privilegien reden?
Mahnmal aktuell:
Und wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Frerk:
Ich habe zunächst einen Roman geschrieben, und es dauerte ein Jahr, bis er rauskam.
Mahnmal aktuell:
Wie heißt das Buch?
Frerk:
„Der Sohn des Freibeuters“. Ein historischer Kriminalroman aus dem 16. Jahrhundert. Sehr interessantes Jahrhundert. Hat große Ähnlichkeit mit dem 20. Jahrhundert. Am Beginn eine große Glaubenssicherheit und Einheit, dann kommen Kriege und Bürgerkriege … und dann hab’ ich mir gesagt: Bevor du den zweiten Roman anfängst, da schreibst du mal ein Sachbuch. Was ganz Einfaches, Leichtes – zum Beispiel über diese Frage, die mich und viele Menschen interessiert: Wie reich sind die Kirchen? Da muss es eine Unmenge von Literatur geben – wenn man bedenkt, wie häufig diese Frage gestellt wird. Und als ich dann feststellte: Es gibt keine Literatur – da hätte ich gewarnt sein müssen …
Mahnmal aktuell:
Was würden Sie von der Idee halten, dass der Staat die Subventionen an die Kirche stoppen und das Geld stattdessen an die Bürger auszahlen sollte – ca. 410 Euro pro Steuerzahler?
Frerk:
Das müsste man mal überlegen. „Mehr Geld für die Bürger“ würde für mich verschiedene Möglichkeiten beinhalten. Auf der einen Seite könnte man den Bürgern eine Steuerersparnis gewähren. Auf der anderen Seite könnte man soziale Einrichtungen schaffen, die der Bürger benützen kann, wenn er alt oder krank wird. Auch dann spart er ja etwas, wenn Sozialleistungen billiger werden würden. Wir diskutieren ja zur Zeit darüber: Müssen die Arztkosten erhöht werden? Dann könnte der Bürger mehr Geld in der Tasche behalten, das er jetzt ausgeben muss.
Mahnmal aktuell:
Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Carsten Frerk studierte zunächst Germanistik und Anglistik, machte dann das Diplom in Politikwissenschaft, war fünf Jahre lang Assistent an der Freien Universität in Berlin, promovierte als Staats- und Wirtschaftswissenschaftler (Dr. rer. pol.). Nach 11 Jahren als Geschäftsführer im graphischen Gewerbe arbeitet er seither als freier Publizist.