Chlodwig – der germanische Konstantin

Erster katholischer Herrscher Westeuropas – brutaler Eroberer und Menschenschlächter – Mörder von Verwandten, Freunden und Bündnispartnern – Bekämpfer und Unterdrücker der christlichen Arianer – Begründer der totalitären Herrschaft von Staat und Kirche im Mittelalter

„Die [katholisch getaufte] Königin ließ nicht ab, ihn [Chlodwig] zu drängen, dass er den wahren Gott erkenne und ablasse von den Götzen. Aber auf keine Weise konnte er zum Glauben bekehrt werden, bis er einmal mit den Alamannen in einen Krieg geriet. Chlodwigs Heer war nahe daran, völlig vernichtet zu werden. Als er das sah, sprach er: Jesus Christus, gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde, so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen. Denn ich hab meine Götter angerufen, mir zu helfen.“ Als er dies gesagt hatte, wandten sich die Alamannen und begannen zu fliehen. Darauf ging Chlodwig, ein neuer Konstantin, zum Taufbad hin …“, berichtet der Kronzeuge der Epoche der ersten Frankenkönige, Bischof Gregor von Tours (573–594).

Frappierend erinnert dieses Ereignis an den Bekehrungsevent des Konstantin d. Großen vor der Schlacht gegen seinen Kontrahenten Maxentius. Allerdings liegt ein gewichtiger Unterschied vor in der Dramatik des Ereignisses: Der römische Konstantin war nicht direkt in Not, die Schlacht stand erst bevor, als Konstantin seinem Traumbild Folge leistete und angeblich Christus zum Schlachtenlenker erkor. Der fränkische König Chlodwig hingegen war in „Not“, natürlich nicht er selbst, aber seine brutale Machtpolitik drohte schief zu laufen, nämlich die Niederwerfung der Alamannen und ihr Hineinzwingen in das im Werden begriffene Großreich der Franken. Mit Krieg, Raub, Mord, Intrigen und Bündnisbrüchen – den Franken habe zum Freund, nicht zum Nachbarn hieß es damals schon – hatte Chlodwig bereits widerspenstige germanische Stämme und die Gallorömer unter Syagrius unterworfen und sich ihre Gebiete einverleibt. Nun drohte die Schlacht gegen die Alamannen zu seinen Ungunsten zu kippen. Doch der vom Geschichtsschreiber und Bischof Gregor genannte Götze, den er missbräuchlich „Christus“ nannte, hatte ein Erbarmen mit dem zukünftigen Anhänger, ordnete ein Blutbad unter den Alamannen an und tippte die Schicksalswaage des Chlodwig auf Sieg. Der König bedankte sich bald darauf mit dem Taufgelöbnis und wurde eifriger Katholik.
An dieser Stelle ist festzustellen, dass man zwischen christlich und katholisch genau unterscheiden muss, denn christlich kann niemals einer sein, der seinen Mitbrüdern ein Blutbad bereitet, wohl aber katholisch, denn die katholische Kirche hat – seit Konstantin den Katholiken auf der Synode von Arelate 314 den Militärdienst befohlen hatte – den Krieg gutgeheißen und zum Instrument ihrer mörderischen Glaubenspolitik gemacht.

Anders als Chlodwig hat sich Konstantin, zwischen Heidentum und Katholizismus hin- und her schwankend, erst kurz vor seinem Tode taufen lassen. Was aber wiederum beide Herrscher gemeinsam haben: Sie waren beide alles andere als christlich; im Licht christlicher Gebote und der Ethik der Menschenrechte (die ja christlichen Ursprungs sind) waren beide Herrscher finstere Schwerstverbrecher auf dem Thron. Dennoch gelten sie in der heute immer noch vielfach konfessionshörigen Geschichtsschreibung als „christliche Idealherrscher“, die bedeutende Grundsteine legten, der eine zum „christlichen Abendland“, der andere zum „christlichen Frankenreich“ und zum „christlichen Römischen Reich Deutscher Nation“, allesamt missbräuchliche Verwendungen des Wortes „christlich“.

Befohlene Weisung der Kirche zu Chlodwigs Taufe: Krieg gegen Ungläubige

Mit enormen Pomp wurde die Taufe Chlodwigs im Jahre 507 (andere Datenvorschläge sind 498, 499, 506) in Reims gefeiert. Mit ihm gelobten auch 3000 Franken, sehr wahrscheinlich Krieger, für ihren neuen Gott zu kämpfen. Zwei Kirchenheilige, die Bischöfe Remigius und Avitus, gaben dem Täufling unmissverständliche Weisungen der Kirche mit auf den Weg. Remigius legte ihm ans Herz: „Beuge still deinen Nacken, bete an, was du verbrannt hast – verbrenne, was du angebetet hast“, und Avitus empfahl: „… die Glaubenssaat unter die ferner wohnenden Stämme auszustreuen, frisch und ohne Scheu“, damit ihm „das weiche Taufgewand die Kraft der starren Waffen mehre“. Im Klartext heißt das Vermehrung der Macht und zwar durch Missionierung der Heiden, also Gewalt und Krieg gegen „Ungläubige“ – ein bekanntes Thema schon bei Konstantin. Der Kirche und seiner eigenen Herrschaft zum Heil, Wohl und Nutzen sollte der für die Kirche neu gewonnene Chlodwig die Heiden missionieren und die „Ungläubigen“ verfolgen. Dabei hatte die Kirche besonders die Arianerchristen im Fokus.

Wer waren die Arianer? Sie beriefen sich auf ihren Gründer-Bischof Arius, der auf dem Konzil von Nicaea 325 das von Konstantin verordnete Dogma der Wesenseinheit von Gott und Christus nicht anerkannte; stattdessen lehrte er, dass Gott seinen Sohn Christus erschaffen habe. Arius wurde zum „Ketzer“ erklärt, verfolgt und durch Gift liquidiert. Die meisten germanischen Stämme – Ostgoten, Westgoten, Wandalen, Alemannen und Burgunder – waren arianische Christen, ein Missionierungswerk des arianischen Gotenbischof Wulfilas. Dieser hatte das von Kirchenvater Origenes gelehrte ursprüngliche Christentum kennengelernt und eine Art Volkskirche geschaffen, die keinen Papst, keine Kirchensteuer, keine Heiligen- und Muttergottesverehrung und keine Kontrolle der Gläubigen durch die Ohrenbeichte kannte. Was den Germanen gefiel: Die Priester und Bischöfe mussten von ihrer Hände Arbeit leben. „Religion kann man nicht anbefehlen“, sagte der arianische Ostgotenkönig Theoderich und unternahm keine Missionierungsversuche in seinen beherrschten Gebieten, Toleranz war staatliches Gebot.

Dass für die expandierende katholische Kirche der Arianismus ein Stachel im Fleisch war, liegt auf der Hand, und um ihren gefährlichsten Konkurrenten zu auszumerzen, brauchte sie die politische und militärische Gewalt der fränkischen Herrscher; und der fränkische Herrscher brauchte im Gegenzug die gut funktionierende Organisation und Infrastruktur der Kirche in Gallien und Germanien für den Ausbau seines Reiches. Wieder einmal wurde das seit Konstantin bewährte Bündnis zwischen Königtum und Kirche, zwischen Thron und Altar, geschlossen. Somit war der „heilige“ und „wundersame“ Vorgang der Bekehrung und der Taufe Chlodwigs, „des auserwählten Werkzeugs Gottes“, nichts anderes als kalte religions- und staatspolitische Kalkulation der beiden Machthaber Kirche und Staat. Anders sieht das der katholische Theologen Konrad Algermissen, für den „nicht Zwang und Schwertmorden, sondern religiöse Überzeugung einen so klugen und tapferen Helden wie Chlodwig zur Verwerfung seines heiligen Irrwahns und zur freien Annahme der Lehre des Gekreuzigten“ bewogen haben soll. Doch sei hier die Frage erlaubt, was wusste Chlodwig, der nicht einmal lesen konnte, eigentlich konkret vom katholischen Glauben oder gar im Gegensatz dazu vom wahren Christentum?

So unglaublich es klingt, aber viele Fakten sprechen dafür: die Franken – einst ein wildes kaukasisches Reitervolk

Seit Jahrhunderten rühmten deutsche Geschichtslehrer den germanischen Stamm der Franken, weil er so tapfer, kühn und freiheitsliebend gewesen sein soll. Denn, so lehrten die Sprachforscher, das Wort frank heiße ’kühn‘ und ‚frei‘, was auch stimmt, doch nur die halbe Wahrheit ist. Das indogermanische Wurzelwort *preg hat noch weitere Bedeutungen, wie ‚gierig‘, ‚kriegslüstern‘, ‚frech‘, ‚wild‘, ‚rüde‘ und ‚zügellos‘. Diese Wörter sind wichtig, da sie Teil einer These sind, die abenteuerlich klingt, für die aber tatsächlich manche Fakten anzuführen sind (Museion 2000, Heft 1/99). Die Franken sollen demnach teilweise auf ein räuberisches kaukasisches Reitervolk zurückgehen. Ihre Führungsspitze sei weder seit alters her aus am Niederrhein siedelnden germanischen Stämmen hervorgegangen noch aus dem Norden zugewandert. Nach dieser von dem Historiker Urs Guggenbühl vertretenen These, bei der er sich auf die fränkische Fredegar-Chronik und den Chronisten Gregor von Tours stützt, sammelten sich kaukasische Reiterhorden in Troja, organisierten dort einen schwunghaften Menschenhandel, bis sie von den vereinten Griechen angegriffen und verjagt wurden. Ihre Horden zogen durch Mazedonien, dann donauaufwärts bis zum Rhein. Im 3. Jh. fielen sie brandschatzend, zerstörend und mordend in das römische Gallien ein, setzten sich in blutigen Kämpfen mit anderen germanischen Stämmen auseinander, errangen die Vorherrschaft und errichteten ein adliges Herrentum solcher Art, wie es bei den Germanen nicht, wohl aber bei den Kaukasiern zu finden war.

Eine große Zahl von Hügelgräbern hoher Fürsten mit Skeletten geopferter Frauen und Pferden im Siedlungsgebiet der Franken, gänzlich unbekannt bei den Germanen, jedoch typisch für kaukasische Völker, dienen den Archäologen als weiterer Beweis für die Existenz der Kaukasier-Franken. Interessant ist auch, dass römische Quellen bei den Franken eine auffallende Wildheit, Brutalität, Zerstörungswut, sexuelle Ausschweifereien und Misshandlung von Gefangenen konstatieren, die man von keinen germanischen oder keltischen Stämmen bislang kannte. Schlussendlich: Aus einem Volk mit derartig wilden Eigenschaften soll, so die These, im 5. Jahrhundert die Sippe der Merowinger und aus ihr der Warlord und spätere König Chlodwig entsprossen sein. Auf Chlodwig passt die Charakterbeschreibung der Römer ohne Abstriche.

Chlodwig der Brutale

Schon als 16-Jähriger trat Chlodwig die Nachfolge seines Vaters Childerich an und wurde Herr über ein beträchtlich großes, vom Vater zusammengeraubtes Herrschaftsgebiet. Kaum 20 Jahre alt, eröffnete er den Krieg gegen den Gallorömer Syagrius. Einen „kometenhaften Aufstieg dieses skrupellosen durchtriebenen Bauernfürsten, mit dem die Vorgeschichte des Deutschtums beginnt“, charakterisiert der Historiker H. Löwe die Karriere des Chlodwig und verfällt dabei nicht der Glorifizierungssucht der katholischen Geschichtsschreiber wie Wilhelm von Giesebrecht, der diesen Mann für „einen der hervorragendsten Gestalten der Weltgeschichte“ hält.

Mit äußerster Brutalität wütete das Monster Chlodwig vor und hinter den Kulissen des Kriegstheaters. Bischof Gregor berichtet von einer Verteilung der Beute unter den fränkischen Kriegern nach Los. Chlodwig beanspruchte über seinen Anteil hinaus einen kostbaren Krug, der ihm aber von einem seiner Soldaten verweigert wurde. Damit der König das Gefäß nicht bekam, spaltete ihn der Krieger mit seiner Streitaxt. Bei einer Musterung der Soldaten im darauffolgenden Jahr folgte die grausame Rache Chlodwigs. Er stellte sich vor den Soldaten hin. Gregor lässt Chlodwig sprechen:
„Keiner hat so wenig Sorge zu seinen Waffen getragen wie du; dein Speer, dein Schwert und deine Streitaxt sind für den Kampf nicht zu gebrauchen. Mit diesen Worten riss er ihm die Axt aus dem Futteral und schmiss sie zu Boden. Als dieser sich bückte, die Waffe aufzuheben, holte der König mit seiner eigenen Axt aus und hieb sie ihm in den Kopf. So, sprach er, hast du es in Soisson mit meinem Krug gemacht.“

Im Kampf gegen die Burgunder gelang es Clodwig Godegisel, den Bruder des Burgunderkönigs Gundobad, zum Hochverrat gegen seinen Bruder zu bewegen, um ihn zu stürzen. Dabei benützte Chlodwig den Verräter nur, um selbst Herr von Burgund zu werden. Nur wegen des Eingreifens der Westgoten auf Seiten der Burgunder gelang die Unterwerfung des arianischen Volkes nicht. Chlodwig marschierte nun gegen die ebenfalls arianischen Westgoten und ließ seine Soldateska besonders rücksichtslos gegen die arianische westgotische Bevölkerung in den bereits eroberten Städten vorgehen. Nach grausamen Massakern vertrieb man sie, ihrer sämtlichen Habe beraubt. Den Tod des Westgotenkönigs Alarich besorgte Chlodwig eigenhändig. Die Kirche bejubelte die Befreiung von der „arianischen Ketzerherrschaft“, und Chlodwig stellte ihr die den Arianern weggenommenen Kirchen für die katholischen Kultfeiern zur Verfügung und beschenkte sie großzügig mit geraubten Ländereien. Die von der Kirche anbefohlenen Wünsche hatte er voll erfüllt.

Auf perfide Weise, mit Hinterlist, Verrat und brutaler Gewalt ging Chlodwig auch gegen mit ihm blutsverwandte Kleinkönige und Fürsten kleinerer fränkischer Stämme vor, um sich deren Königtümer zuzuschlagen. Treffend stellt der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt fest, dass Chlodwig „sich den Aufstieg zur fränkischen Alleinherrschaft mit der Axt bahnte“. Dabei muss man sich stets vor Augen halten, dass all diese Schwerstverbrechen unter den wohlwollenden Augen der Kirche geschahen, ja von ihr mit angezettelt wurden. Die üble Art der Machterweiterung und des Machterhalts setzten nun Chlodwigs Nachkommen eifrig fort. „Die Geschichte Galliens zur Merowingerzeit“, so schreibt der Historiker Karl Heinz Deschner „ist eine einzige Chronik der Barbarei“.

Als der endgültige Vernichtungskriegskrieg gegen die Alamannen anstand, starb Chlodwig 511 als 40-Jähriger in seiner Reichshauptstadt Paris. Seine Nachfolger vollendeten dann das Tötungswerk. 25 Jahre hatte er Kriege geführt, von einem kleinen Fürstentum am Niederrhein ausgehend ein Reich zusammengeraubt, das von der Weser bis zum Atlantik, von der Kanalküste bis zu den Pyrenäen reichte, und damit ein europäisches Großreich begründet, das in seiner Herrschaftsform zur Grundlage des europäischen Mittelalters wurde: die Herrschaft einer aristokratischen weltlichen und klerikalen Herrenschicht.

Das Emporkommen der Aristokratie war der Niedergang des freien Bauerntums

Die ununterbrochene Kette von Bruder- und Rachekriegen, von Morden an Verwandten und Konkurrenzpotentaten unter Chlodwigs Nachfolgern schwächte die Dynastie der Merowinger, denn immer mehr Große des Reiches, mächtige weltliche Fürsten und Kirchenmänner, die an den Eroberungen dem König Beistand geleistet und mit erbeuteten riesigen Ländereien ausgestattet worden waren, setzten sich nach den Kriegszügen ab und bauten ihre eigene Herrschaft aus – es entstand die mittelalterliche Hocharistokratie.

Während die Herren immer mächtiger wurden, ging es mit den alteingesessenen keltischen und germanischen Bauern bergab. Das keltische-germanische Recht kannte kein persönliches Eigentum an Boden; bei der Landnahme war es den Familien von den Sippenverbandältesten zugeteilt worden. Es bekam jede Familie so viel, wie sie zu ihrer Ernährung brauchte. Wald, Weide, Wasser waren Gemeinschaftseigentum (Allmende) und konnten von allen genutzt werden. Nun aber setzte sich römisches Recht durch; der Boden wurde verfügbares Gut, konnte vererbt, verschenkt, verkauft, verpfändet und verpachtet werden. Gemeinschaftsdenken und solidarisches Miteinander wandelte sich zu ich-bezogenem Denken und zu einem Höher- und Niedrigerstellen, letztlich zur Unterdrückung. Die Rechtssatzungen und Gesetzessammlungen der Zeit, z. B. die lex salica, spiegeln allesamt die Bevorzugung der Reichen und Mächtigen wider; von Rechten des Volkes ist hier nirgends mehr die Rede.

Das Volk der Bauern, und das war immerhin ein Anteil von 90 %, denn die Bürgerschaft in den Städten Galliens war noch schwach entwickelt, verlor mehr und mehr an Rechten und Freiheiten, und es sank zu einer Masse an Unfreien und Hörigen herab, die mit der Leibeigenschaft endete. Beschleunigt wurde der Vorgang durch das steigende Elend der Bauern, die durch die dauernden Raubkriege gezwungen wurden, Land an die Fürsten abzugeben, sich in ihren Schutz zu stellen und zu lebenslängliche Diensten und Abgaben zu verpflichten. Einer davon war der Zehnt, der schon unter Chlodwig zuerst als eine „Almosenspende“ eingetrieben wurde. Wer sie dem Grundherren nicht zahlte, wurde von der katholischen Kirche exkommuniziert, später mit harten weltlichen Strafen belegt, und wenn nichts mehr zu pfänden da war, drohte die Obnoxiation, die Versklavung eines Armen „um Gottes Willen“.
Nur ganz vereinzelt erhielten sich freie Bauerngemeinschaften, z. B. die Schweizer Eidgenossenschaften. Das mittel-, west- und später osteuropäische Bauerntum hingegen verarmte, wurde für Jahrhunderte abhängig, unterdrückt, ausgebeutet, politisch unmündig, rechtlos und geistig dumm gehalten. Die römisch-katholische Kirche hat diese Entwicklung mitzuverantworten, denn sie stand stets auf der Seite der Mächtigen, ja sie selbst verkörperte dieses anmaßende, sich selbst verherrlichende, angeblich Gott gewollte Herrentum. Und sie war vielerorts selbst die größte Grundbesitzerin und Grundherrin, oft in Gestalt von mächtigen Klöstern.

Das Sklaventum der Antike lebte weiter fort – und die Kirche rechtfertigte es und zog vorne mit

Die von den vertriebenen römischen Gutsbesitzer auf fränkische Herren übergegangenen Güter wurden weiterhin von Sklaven bewirtschaftet. Könige und Fürsten überhäuften schon in der Merowingerzeit die Kirche mit Schenkungen riesiger Ländereien samt ihren Hörigen und Sklaven – galt es doch, das von der Kirche geforderte Seelengeschäft zu vollziehen, nämlich das Seelenheil zu retten und sich einen Platz im „Himmel“ zu reservieren. Die Kirche sah nichts Anstößiges an der Sklaverei, befand es doch das Konzil von Epaon 517 für ungerecht, dass Mönche die tägliche Feldarbeit leisteten (auch Klöster hielten sich Sklaven), während Sklaven angeblich der Faulheit frönten. Der „heilige“ Martin, mächtiger und begüterter Bischof von Tours, hielt zu Lebzeiten ca. 20 000 Sklaven auf seinen Gütern.

Weder an der Abschaffung noch an einer Verbesserung der Stellung der Sklaven war die Kirche interessiert, wozu sie eigentlich moralisch verpflichtet gewesen wäre, wenn sie den Namen „christlich“ nicht nur zur Täuschung getragen hätte. Doch sie entlarvt diesen Betrug auch hier. Denn sie übernahm nicht nur die römischen Sklavengesetze, sie verstärkte sie noch zu ihren Gunsten. Während es in der Antike die Möglichkeit zur Freilassung von Sklaven gab, wurde dies von der Kirche in Bezug auf kircheneigene Sklaven strikt untersagt. Auch gewährte die Kirche zwar dem geflohenen Sklaven Asyl, das jedoch sofort wieder aufgehoben wurden, wenn der Herr versicherte, dass er ihn weder töten noch misshandeln werde. Rührte sich der Sklave aber nicht von der Stelle, durfte Gewalt angewendet werden.

Die bis ins 19. Jh. andauernde Sklaverei, an der die Kirche sich bedenken- und gewissenlos beteiligt hat, wurde nicht auf Betreiben der Kirche, verboten, sondern von den Großmächten des Wiener Kongresses von 1815 und von moralisch verantwortungsvollen bürgerlichen Politikern 1885 im Zuge der Verabschiedung der amerikanischen Verfassung.

Rechtfertigung der ständischen Ordnung durch Heiligsprechung

Nicht nur Politik und Wirtschaft begründeten die Macht des Königs, des Adels und der Kirche, sondern nach dem Historiker Karl Bosl „die Rechtfertigung der herrenständischen Ordnung durch eine neues adliges Heiligenideal“. Die wirksamste Stärkung der Macht der Kirche war die Massenproduktion von Heiligen, die allesamt dem Adel entstammten und schon zu Lebzeiten ihren Heiligenschein tragen durften. Allein im 7. Jahrhundert zählte man ca. 800 Heilige. Der Adel heiligte sich gewissermaßen selber, was ihm natürlich eine neue religiös-charismatische Legitimität vor dem Volk verlieh, nachdem durch Aufgabe der alten heidnischen Götter ihr Charisma an Wirkung schwer eingebüßt hatte. Den höchsten und würdigsten Titel verlieh die Kirche dem König als einem „Stellvertreter Gottes auf Erden“, was ihn praktisch von jeder moralischen Verantwortung entband. Das stellt der bereits genannte Bischof Gregor von Tours, selbst ein „Heiliger“, in seiner „Fränkischen Geschichte“, deutlich an die Adresse von Chlodwig gerichtet, klar:
„O möchtet doch auch ihr, o Könige, solche Schlachten schlagen, wie die, in denen eure Vorfahren ihren Schweiß vergossen haben, dass die Völker voll Furcht wegen eurer Eintracht, sich beugen müssten vor eurer Macht. Denket an Chlodowech, mit dem eure Siege begannen, was er getan hat: Er tötete die Könige, die seine Gegner waren, schlug die feindlichen Völker, brachte die einheimischen unter seine Gewalt und hinterließ euch die Herrschaft darüber ungeteilt und ungeschwächt.“
Die „Heiligung“ war das Wundermittel, mit dem die findigen Theologen alles, was der Kirche zum Vorteil gereichte, zu rechtfertigen verstanden, sei es eine unrechtmäßige Machtergreifung, ein Machtmissbrauch, Kriege, Schlachten, Verbrechen, Rechtsbrüche, die Häufung von Reichtum, Fälschungen aller Art, die Ausbeutung von Bauern, die Versklavung von freien Menschen, stets und überall wirkte die wunderbare „Gnade Gottes“, war „die Hand Gottes“ im Spiel, alles hatte dem „Heilsgeschehen“ zu dienen oder war schlicht nur „heilig“ – wenn es im „Namen Christi“ geführt wurde, und mit diesem falschen Etikett hatte man alles versehen, was teuflisch = dämonisch war.

Chlodwigs Regentschaft: Keine weltliche Macht ohne Kirche – keine Kirche ohne weltliche Macht

Für seine Verdienste für die selbsternannte Christenheit, die darin bestanden, das Arianerchristentum eifrig und leidenschaftlich zu bekämpfen, erhielt Chlodwig 508 in Tours, der Stadt des Bischofs Gregor, vom byzantinischen Kaiser Anastasios die Ehrenkonsulswürde. Das bewegte ihn dazu, sich ein Purpurgewand zuzulegen, ein gleichfalls von Anastasios übersandtes Diadem an den Kopf zu stecken und sich in seiner neuen imperialen Größe als „Augustus“ zu betrachten, nach den Chronisten, sogar nennen zu lassen. Chlodwig hatte den Höhepunkt seiner Karriere erreicht.
Wie sah seine Regentschaft aus? Altbewährte Einrichtungen wurden immer mehr aufgegeben oder verloren an Bedeutung, z. B. die Volksversammlung und die Gerichtsversammlung der Ältesten. Chlodwig regierte immer mehr absolutistisch. Mit seiner Taufe und seinem Bekenntnis zum römischen Katholizismus kam zum Thron der Altar hinzu, und beide Mächte, Kirche und Staat, betrieben das altbewährte Do-ut-des-Geschäft: Ich gebe dir – du gibst mir. Wie bei Konstantin, nur gab es im Chlodwigreich von Beginn an keine Konkurrenzreligionen, wurde die Kirche mit Privilegien, mit Rechten, Gütern, Titeln und natürlich mit der Kriegsbeute ausgestattet, und im Gegenzug stützte die Kirche das politische System: Ein Glaube – ein König – ein Reich, die altbewährte Herrschaftsformel fand praktische Anwendung und findet bis heute entsprechende Anwendung.

Symptomatisch dafür, wie die Kirche mit dem König „ins Geschäft kam“, ist folgender Brief des Bischofs Remigius an Chlodwig in seinen ersten Regierungsjahren:
„Es überrascht nicht, dass du zu sein beginnst, wie schon deine Vorfahren immer waren. Mögest du aber dafür besorgt sein, dass unser Gott dir weiterhin gnädig bleibt, wo es doch jetzt darum geht, dass du kraft eigener Verdienste die höchsten Höhen erreichst. Du musst daher Ratgeber beiziehen, die deinen Ruhm in gottgefälliger Weise zu fördern wissen: deine Bischöfe. Doch seien deine Gunstbezeigungen ihnen gegenüber standesgemäß und frei von jedem Makel, und du sollst sie hochachten sowie ihren Rat immer befolgen; wenn du nämlich ihre Meinung teilst, wird es deinem Land wohlergehen.“
Vom Wohlergehen des Volkes in des Königs Reich ist hier nirgends die Rede.

Genau wie Konstantin präsentierten Merowingerkönige dem Klerus großzügige Geschenke. Zunächst befreiten sie ihn von „Belastungen“ wie Militärdienst, Steuern, Zölle, Getreideabgaben, Grundsteuern und von öffentlichen Pflichten, z. B. von der „munera sordida“, den Schmutzarbeiten wie die Straßenreinigung in den Städten. Damit entzog sich die Kirche immer mehr der Verantwortung als Glied der Gesellschaft, für das Allgemeinwohl zu sorgen; dafür kümmerte sie sich umso mehr um ihr eigenes Wohl. Wie sehr erinnert das alles an die steuerlichen Vergünstigungen und milliardenschweren Subventionen, die die Kirche noch heute in Deutschland vom Staat erhält, oder an den Status eines Bischofs als hoher Staatsbeamter mit dem entsprechenden Einkommen inklusive Pension, Palais, Dienstwagen und Bedienstete.

Ein wichtiger Baustein, der zum Anwachsen des weltlichen Machtgebäudes der Kirche beitrug, war die wachsende kirchliche Eigenständigkeit im Rechtswesen auf Kosten der staatlichen (königlichen) Rechtsprechungsgewalt. Der hohe Klerus richtete über den niederen Klerus, die Bischofsversammlung sprach über Bischöfe Recht. Vereinzelt setzte die Kirche durch, auch über Laien Gericht zu sitzen. Doch wie steht es mit der Gerechtigkeit, wenn in einer geschlossenen Gesellschaft von Gleichen Recht gesprochen wird, wenn Richter über Richter zu Gericht sitzen? Heute noch sind gewisse Rechtsbereiche in der Kirche, z. B. das Arbeitsrecht, aus der staatlichen Rechtsprechung ausgegliedert und entziehen sich damit der öffentlichen Kontrolle.

In zunehmendem Maße übernahm der Episkopat, die Bischofskonferenz, im Chlodwigreich politische Führungsaufgaben. Dazu betraute man ihn, den „episcopus“, den Bischof, mit Staatsgeschäften, verlieh ihm lukrative Posten am Hof, alles gute Gründe, für diese Bevorzugung die Machtpolitik des Königs zu unterstützen – und natürlich auch Kriege und alle Arten von Staatsverbrechen zu billigen. Obendrein konnte der König das für damalige Verhältnisse hervorragende Management, die perfekte Organisation der Kirche und ihr schreibkundiges Personal für die Reichsverwaltung bestens gebrauchen. Die Bildung breiterer Volksschichten war nicht umsonst im Vergleich zur Antike sträflich vernachlässigt worden.

Seit Chlodwig wählte der Episkopat in einer Kirchenversammlung, die der König als Inhaber der Synodalhoheit selbst leitete, den Bischof, und der König bestätigte die Wahl. Ausschlaggebend waren dabei Reichtum und adlige Herkunft. Es ist aus den Quellen bekannt, dass die Kandidaten alles daran setzten, dieses Amt zu erlangen, und daher blühten Korruption, Betrug und Simonie (Ämterkauf). Anders als Konstantin mischte sich der König hingegen nicht in Glaubensfragen ein, dazu war er nicht gebildet genug.

Die umfangreichen Schenkungen, Stiftungen und Besitzübertragungen machten die Kirche zum größten Grundbesitzer nach dem König, und im Unterschied zu ihm verhinderte sie mit speziellen Rechten die Veräußerung, d. h. der Grundbesitz der Kirche war unantastbar. Hier beginnt das unaufhörliche Horten der Kirche von Land und Immobilien zu dem gewaltigen milliardenschweren Besitzstand, über den die Kirche bis heute verfügt.
Die Bischöfe auf dem Land, oft gleichzeitig Herren über ganze Städte und große Fürstentümer, residierten auf Landgütern, luxuriös mit Thermen, Speisesälen, Bibliotheken und Massen an Sklaven ausgestattet, und führten, wenn sie nicht in kriegerische Streitigkeiten verwickelt waren, ein rein weltliches Herrenleben mit Festen, Jagd, Verwaltung und Politik. Sie kümmerten sich nicht um kirchliche Dogmen, präsentierten sich aber vor dem Volk mit Prunk und Pracht bei allen Zeremonien und Feiern, die die katholische Ritualreligion zu bieten hatte.

So sind im Merowingerreich unter Chlodwigs Herrschaft die Anfänge für die Ausbildung der Kirche zur mittelalterlichen Reichskirche zu suchen, die im römischen Reich unter Konstantin und später unter Theodosius bereits feste Form angenommen hatte. Staat und Kirche teilten sich eine Herrschaft, die man ohne Einschränkung als totalitär bezeichnen kann.

Christianisierung mit Predigt, Zerstörung, Angst, falschen Heilsversprechungen und Wundertaten

Schon seit der Wende vom 2. ins 3. Jh. n. Chr. tauchten die ersten Frühkatholiken in der späteren Residenz Konstantins in Trier auf und gründeten Gemeinden. Zur Zeit Chlodwigs gab es bereits dank seiner Fördermaßnahmen 120 Bischofssitze. Nach seiner Taufe begann auch die systematische Missionierung der Franken, der übrigen germanischen Stämme, der Angelsachsen und Langobarden. Parallel dazu lief freilich auch die Ausrottung der andersgläubigen Arianer, für die Kirche „ketzerischen Christen“, die Ostgoten in Norditalien und Wandalen in Nordafrika.

Die Missionare, meist Mönche, aber auch Priester und Bischöfe, begannen ihr Werk zunächst vor den versammelten heidnischen Zuschauern mit einer Predigt, in der sie über die Schwachheit der heidnischen Götter herzogen, um dann umso lauthalser die Stärke des so genannten „Christengottes“, in Wirklichkeit des Kirchengottes, zu rühmen. Gleich einer sakralen Performance demonstrierte der Missionar die heilige Potenz des neuen Gottes, indem er ein besonders intensiv verehrtes Heiligtum, z. B. einen heiligen Baum (Esche oder Eiche) oder einen Tempel bzw. ein heidnisches Götzenbild, zerstörte – und zum Schrecken und Staunen der Zuschauer machten sich die Götter nicht blitzend und donnernd bemerkbar. Den bekanntesten Fall liefert Bonifatius, der die Donareiche, den heiligen Baum des Gottes Thor, fällte. Wohl wegen seines gewalttätigen Missionseifers wurde er von Friesen erschlagen. Aber auch der „heilige“ Martin von Tours zählt zu den fanatischen Zerstörern von Kultstätten. Auf den Trümmern ließ er nach gründlicher Beweihung sogleich katholische Kultstätten bauen. Infolge seiner angeblichen Fähigkeit, Tote zum Leben zu erwecken, wurde Martin unter Chlodwig Reichsheiliger der Merowinger, dann der Karolinger, später der Schutzpatron der Franzosen.

Die wirksamste psychologische Waffe im Kampf um den neuen Glauben war die Angst. Das ist typisch für eine Priesterreligion, denn durch Angstmacherei vor zornigen, rachsüchtigen Göttern, schrecklichen Strafgerichten und wie beim Katholizismus vor dem Jüngsten Gericht, der Verdammung und Höllenstrafe, bestritten Priester ihre metaphysische Existenz – und natürlich davon abhängig die materielle.

Auch erklärte man den „Barbaren“ – barbarisch war alles, was nicht katholisch war –, dass der neue Glaube zum Heil der Seele notwendig sei, dass er ins Paradies führe. Für einfache germanische und gallische Bauern war das sicher eine günstige Perspektive angesichts der zusätzlichen Plackerei wegen des Kirchenzehnts. Anders bei den Adligen, hier war die Bekehrung ein Politikum; man tat es, wie das Beispiel Chlodwig zeigt, dem König gleich. In der Regel mussten dann die Angehörigen, die Bediensteten, die Hörigen mitziehen, ob sie wollten oder nicht. Angebliches Christentum, wie die katholische Kirche es täuschend präsentierte, war eben nicht die Religion der Sünder, Armen und Entrechteten, sondern die Religion der Herrschenden.

Eine bedeutsame Rolle bei der Missionierung spielte das „Wunder“, das man massiv einsetzte, denn das kam der von Mystizismus und Schamanentum geprägten Bevölkerung Galliens und Germaniens am besten an. War schon der Mann von der Kirche, der unbeschadet von den heidnischen Göttern einen Kultort zerstörte, selbst ein Halbgott, zu dem man andächtig und ehrfurchtsvoll aufschaute, verstand es die katholische Kirche mit ihrem Arsenal von Restbeständen heidnischer Zaubertricks, Zeremonien, Mirakel, Teufels- und Dämonenaustreibungen, die Ungläubigen kolossal zu beeindrucken. Ob die katholischen Agitatoren selbst an den Zauber glaubten, war nicht so wichtig, es ging einzig und allein darum, dass alles im vermeintlich rechten Licht geschah, nämlich im katholischen. So wurden die typisch heidnischen Dämonen, der heidnische Teufel ausgetrieben, die heidnischen Mysterien durch katholische Mysterien, die heidnischen Mirakel von heidnischen Göttern, z. B. die gallische Trias Jupiter, Merkur, Apollo, von Mirakeln der katholischen Kirchenheiligen ersetzt. Interessant ist hierbei, dass sich das ganze Potenzial an Geister-, Dämonen- und Teufelsglauben im Untergrund des Bewusstseins von Gläubigen und Priestern erhalten haben muss, sonst wäre es nicht als Hexenwahn Anfang der Neuzeit wieder zum Ausbruch gekommen. Erst die rational denkende Aufklärung hat dem Wüten allmählich ein Ende gemacht, unzählige Gottesprophetinnen und -propheten, die das Volk ebenfalls aufklärten – viele dem Namen nach nicht mehr bekannt – ließ die Kirche zuvor foltern und ermorden. Trotzdem grassiert in der katholischen Kirche immer noch der Teufels- und Dämonenglaube analog zu den heidnischen Vorstellungen. Die gelegentlich von Kirchenoberen veranstalteten Exorzismen und die vom Papst geförderte Exorzistenausbildung bestätigen dies.
So gesehen war die Zwangsbekehrung zum Katholizismus, von Kirchenschriftstellern „Christianisierung“ genannt, keine Belehrung und Aufklärung über das Evangelium der Erlösung des Jesus von Nazareth, keine Frohbotschaft, sondern das Gegenteil, eine Drohbotschaft und durch den Missbrauch des Namens Christus gleichzeitig der größte Betrug der Menschheitsgeschichte. Gedroht wurde nicht nur mit metaphysischen Strafen eines Rachegottes, die Kirche selbst kontrollierte und ahndete unbarmherzig alle Abweichungen vom vorgeschriebenen Glauben bei den bekehrten Heiden. Sanktionen härtester Art, wie Landverweisung, Entziehung von Rechten, Vermögenskonfiskation und sogar Versklavung, wurden bei Ausübung heidnischer Bräuche und Opfer verhängt. „Volksfrömmigkeit“ nennt die Kirche heute naiv die Pflege der seltsamsten Bräuche und Riten, die, wenn sie nicht direkt heidnischen Ursprungs, so doch typisch für heidnische Religionen sind. In ihrer „christianisierten“ Form jedoch gelten sie für die Kirche als glaubensstärkend. Fest steht jedenfalls, dass Jesus von Nazareth sie den Menschen nicht beibrachte, und schon die wahren Gottespropheten im Alten Testament hatten sie verworfen.

Seltsame Blüten brachte auch der Heiligen- und Wunderkult in der Merowingerzeit hervor, was nicht verwundert, galt doch schon immer das Wunder als des Glaubens liebstes Kind und war (und ist es heute noch) lautstarker Bestandteil der kirchlichen Glaubenspropaganda. So nennt der katholische Heiligenkalender den Bischof Eligius von Noyon, um nur ein Beispiel zu nennen, der seine Anhänger oder die es werden wollten mit seiner „Pferdeoperation“ begeisterte. Er säbelte einem störrischen Gaul, das beschlagen werden sollte, das Bein ab, trug es zum Amboss, befestigte das Hufeisen und klebte das Bein wieder unter Gebetsformeln an. Unsägliche Qualen erlitt das Tier, das wohl bald elendiglich verblutete. Bischof Eligius jedoch avancierte zum Patron der Hufschmiede, und ihm zu Ehren werden heute noch der Eulogiusritt am Bodensee und der anschließende Pferdesegen theatermäßig aufgeführt.

Zerstörung einer „barbarischen“, aber ethisch hochstehenden Naturreligion

Die Germanen hatten eine Naturreligion mit pantheistischen Zügen, geprägt durch Verehrung von Naturphänomenen, in ihren Augen beseelte Naturkräfte, Geister und Götter des Waldes, der Berge, Flüsse, des Meeres und Wetters, der Brunnen und Quellen. Sonne, Mond und Sterne waren ihnen ebenso heilig wie Wasser, Bäume, Blumen und Steine. Mit ihnen zusammen empfanden sie sich in einer harmonischen kosmischen Einheit mit der Natur – Ausdruck einer hohen Ethik zur Natur. Fühlten sie sich einerseits von bösen Geistern bedroht, wussten sie sich andererseits aber auch geborgen bei ihren schützenden und segnenden Göttern, zu denen sie starkes Vertrauen hatten.

Wenn nun der fanatische katholische Missionar den heiligen Baum fällte, dann demonstrierte er nicht nur die angebliche Macht seines Gottes über die alten Götter, sondern auch die Gewalt, Härte und Unbarmherzigkeit des Kirchengottes gegenüber der Natur. Die Auslegung der katholischen Kirche der Weisung Gottes im Alten Testaments an die Menschen: „Machet euch die Erde untertan“ im Sinne des mittelalterlichen Herrentums, das dem Menschen erlaubt, sich als Herrscher über die Natur aufzuspielen und sie schlimmer wie einen Sklaven zu behandeln, diese im wahrsten Sinne des Wortes irrsinnige Deutung brachte all die schrecklichen Auswüchse hervor, mit denen die Menschen die Erde, die belebte und unbelebte Natur malträtierten und es weiterhin tun. Von einer Liebe des Jesus von Nazareth zur Natur und zu den Tieren war in der dogmatisch-römischen Lehre der Kirche nichts zu finden, und den Glauben an die „Mutter Erde“ verurteilte sie als heidnisch. Auch heute noch kann sich die Kirche nicht zu einer wirklichen Ethik für die Natur und die Tiere bekennen. versteht es jedoch, sich als Trittbrettfahrerin in Zeichen des Klimawandels auch als Umweltapostel zu inszenieren, z. B. indem sie Aussagen von Franz von Assisi aktiviert, den sie beinahe zum Irrlehrer verdammte, ihn aber heute für den eigenen Dogmenkult vereinnahmt.

Ganz anders entwickelte sich das keltische Christentum in Schottland und Irland, in Ländern, die nicht vom römischen Imperium unterworfen wurden, dank einheimischer Missionare wie den „heiligen“ Patrick (395-459). Die Kelten-Christen verbanden keltisches Naturempfinden mit dem Glauben an Gott. Für sie durchstrahlt Gott mit seinem Geist die gesamte Natur und ist gegenwärtig in allen Wesen und in den Elementen. Einfache Kreuze in Feld und Flur sollen stets an Gottes Wirken erinnern. Dem freiheitsliebenden keltischen Volk entsprach auch die starke Wertschätzung des freien Willens, sich für das Gute oder das Böse selbst zu entscheiden und durch Selbstüberwindung seine Schwächen zu bekämpfen. Iro-schottische Mönche exportierten das keltische Christentum auch nach Germanien und Gallien, missionierten dort friedlich und ohne Gewalt; ihre stärkste „Waffe“ war die eigene vorbildliche Lebensführung. Jedoch, einen selbstgewählten Weg der Erlösung nur mit Hilfe von Christus ohne die Vermittlung von Priestern konnte die katholische Kirche keinesfalls zulassen, daher wurde die Ausbreitung des keltischen Christentums bald von römisch-katholischen Missionaren unter der Führung des Briten Winfried (später Bonifatius) Anfang des 8. Jhs. im Auftrag des Papstes gestoppt, die Iro-Schotten als Ketzer verfolgt und schließlich verjagt.

Der Gott der Liebe und des Friedens wird zum Gott der Gewalt und des Krieges

Durch den Einfluss von Tacitus`„Germania“ entstand des Bild des urgesunden, offenherzigen, bescheidenen, gemeinschaftlich denkenden, treuen, tapferen, kämpferischen, aber stets ehrenhaften Germanen, das er den dekadenten Römern als Spiegel vorhielt. Diese einseitige positive Überzeichnung der Germanen, in der sich die Deutschen jahrhundertelang gefielen, muss korrigiert werden angesichts des (oben beschriebenen) vorwiegend negativen Charakters der Kaukasier-Franken, so dass etwas mit Sicherheit Richtiges in der Mitte übrig bleibt, das Kelten, allen Germanenvölkern und den Kaukasier-Franken gemeinsam ist: die Leidenschaft für Streit, Kampf und Krieg. Genau da setzten die Missionspropagandisten der katholischen Kirche an, und genau hier haben wir wieder eine der schweren Verfehlungen der katholischen Kirche. Statt den Germanen das Evangelium des Friedens und der Liebe zu predigen, eine Toleranz- und Friedensmission zu betreiben, ihren Kampftrieb sukzessive zu zähmen und Gerechtigkeit und Fürsorge zu verbreiten, pflanzte die katholische Machtkirche ihre Religion der Gewalt in das immanente Gewaltpotenzial der Germanen ein – mit dem einzigen Ziel, den Kriegerstand sich zum Gehilfen für ihre eigene imperiale Politik zu machen.

Gezielt richtete die Kirche dabei ihr Hauptaugenmerk auf den Krieg und die Schlacht, und da bot sich „unser Herr Christus“, der Kämpfer gegen das Böse und Sieger über den Tod, als ein wunderbares und wundertätiges „kriegerisches“ Vorbild an, wenn man Ihn entsprechend verfälscht: „Aus der Religion des Duldens und Leidens, der Weltflucht und Weltverneinung haben die mittelalterlichen Germanen eine Kriegerreligion gemacht, aus dem Schmerzensmann einen germanischen Heerkönig, der mir seinen Recken erobernd durch die Lande zieht und dem man durch Kampf zu dienen hat“, schreibt der Historiker Dannenbauer, und die Kirche hat ihnen dazu ideologische Schützenhilfe gegeben, muss man ergänzen.
Tatsächlich war Christus für die fränkisch geprägten späteren Germanenvölker der oberste Lehensherr, um den sie sich scharten und ihm Gefolgschaft leisteten. Ihn betrachteten die Krieger als Held, ihm leisteten sie den Treueid und kämpften für ihn und mit ihm gegen das Böse auf der Welt (das sich meistens im zum Feind erklärten Nachbarvolk verkörperte). Die militia, die angeblichen Soldaten Christi, waren entstanden. Folgerichtig trat Odin als Kriegsgott und Schlachtenlenker ab und überließ dem neuen und vor allem dem den sicheren Sieg garantierenden Kriegsgott das Feld, und dafür wurde der Name „Christus“ ungeniert benutzt; letztlich um Ihn, den Friedenslehrer, durch diese böse Vereinnahmung kalt zu stellen.

Fortan verfügte die Kirche über ein gewaltiges Reservoir von hörigen Kriegern aus dem abendländischen Ritterstand, dessen Ideale der Verherrlichung des Kampfes und der Tapferkeit, der Treue zum Kriegsherrn und dem Kampf gegen das Böse für ihre „Heilige Kriege“ zu instrumentalisieren verstand. Die Kreuzzüge waren dann der erste große globale Einsatz von Hunderttausenden von Rittern, die angeblich dem „Kreuzritterkönig Christus“ nachfolgten und sich für ihn opferten, indem sie ihr Hab und Gut, ihre Familie und oft ihr Leben aufgaben. Der Lohn der Kirche war stets die „metaphysische Münze“: ein Platz im Himmel.

Mit allen erdenklichen Mitteln wusste die Kirche den germanischen Kampftrieb zu mobilisieren. Die heidnischen kraftspendenden und vor Wunden und Tod schützenden magischen Instrumente wurden umfunktioniert in vermeintlich „christliche“, in Wirklichkeit in katholische Instrumente. Statt ein Amulett hängte sich der Krieger jetzt eine Reliquie um den Hals. Der legendäre Mantel, den der „heilige“ Martin als junger Soldat mit einem Frierenden geteilt haben soll, wurde auf Kriegszügen als siegbringende Reliquie immer mitgetragen. Aus Zaubersprüchen wurden kampfanspornende Gebetsformeln, aus Ritualen in Waffen wurde die im „Namen von Christus“ zelebrierte Waffenweihezeremonie – heute noch von Militärpriestern zelebriert. Die Helden und Götter in Sagen und Mythen wurden durch Legenden und Mirakel von Heiligen ersetzt, deren Heldenhaftigkeit darin bestand, dass sie nie aus eigener Kraft das Problem meisterten, sondern stets mit Hilfe von oben. In der „lex salica“, der salischen Gesetzessammlung, wird das Kriegsvolk der Franken gar zum auserwählten Volk der Bibel und verdrängt damit das Volk Israel:

„Der Franken erlauchtes Volk,
Von Gott selbst geschaffen,
Tapfer in Waffen,
Fest im Friedensbund, tiefdenkend im Rat,
Körperlich edel,
Von unversehrter Reinheit,
Verlesener Gestalt,
Kühn, rasch und ungestüm
Zum katholischen Glauben bekehrt,
Frei von Ketzerei …“

Auch der Christusverschnitt im altsächsischen Epos „Heliand“ (um 830, Verfasser unbekannt) wandelt sich vom leidenden Gottessohn zum strahlenden Held, Heerführer und König. Allerdings weisen Stellen im Abschnitt „Bergpredigt“ auch auf die Friedensmission des Heiland hin, doch fand das bei den Adels- und Kirchenherren und den Missionaren wohlweislich keine Beachtung:
„Selig sind auch
die Friedfertigen, die nicht Fehde stiften,
mit Schuld sich beschweren: sie heißen die Söhne des Herrn;
ihnen wird er gnädig sein, dass sie lange genießen
sollen seines Reiches.“

Mission mit dem Schwert – Katholisierung unter Karl dem Großen, der eigentlich Karl der Schlächter heißen müsste.

Rund 30 Jahre (772–804) führte Kaiser Karl der Große zahlreiche Christianisierungs- und Unterwerfungsfeldzüge gegen die Sachsen und wandte dabei brutalste Mittel der Kriegführung an: die Massenköpfung von 4500 Sachsen, das sog. Verdener Blutgericht, Versklavung der Gefangenen, Zwangsdeportationen von Tausenden von Familien, Raub von Schätzen, Zerstörung von Siedlungen und Gehöften, Schändung von Heiligtümern, Mord, Massaker und Gräueltaten an Zivilisten durch Blendung, ja sogar einen Umweltkrieg durch Abbrennen von Wäldern, Verwüstung von Äckern, Vernichtung von Saaten und Verschütten von Brunnen. Der Schlächterei folgte stets die Katholisierung, die gleichzusetzen ist mit Unterwerfung. Mit Massentaufaktionen wurde das Volk abgefertigt, und ohne Gewalt ging es dabei nicht zu. Der sächsische Adel kollaborierte schnell mit dem fränkischen Klerus und dem weltlichen Adel und versippte sich mit ihm zu einer homogenen aristokratischen Herrenschicht, war doch für sie der Katholizismus eine feudale Religion, die ihre Macht festigte.

Immer wieder kam es unter dem freiheitsliebenden Adligen Widukind zu blutigen Aufständen gegen die Unterdrücker. Der Kampf galt aber nicht nur der Freiheit, es war auch ein Kampf gegen den aufoktroyierten Romkatholizismus, gegen diese Art von extremst verfälschten und ins Gegenteil verkehrtem „Christentum“, in dem die Sachsen Symbol für Versklavung und Zwangsherrschaft sahen. Doch schließlich wurde ihr Widerstand gebrochen, und die Reichsannalen berichten ganz lapidar: „… mit Gottes Hilfe blieben die Franken Sieger und eine Menge Sachsen wurden dort erschlagen“ und dann feierte “… der genannte milde König Weihnachten“. „Gott“ war in der katholischen Geschichtsschreibung immer auf Seiten der militärisch Stärkeren.
Die Franken etablierten systematisch ihre Herrschaft im Sachsenland, errichteten Klöster und Bistümer als militärische, politische und religiöse Stützpunkte. Das Land wurde mit Missionssprengel überzogen und fest ins fränkische Reich eingegliedert. Die bereits hörigen sächsischen Bauern gerieten noch mehr in die Abhängigkeit, in die Leibeigenschaft der fränkischen Herren. Die Eintreibung des Kirchenzehnten wurde Gesetz. Mit drakonischen Strafandrohungen, den sog. Blutgesetzen, sollte der erzwungene neue Glaube gesichert und verfestigt werden. Von 14 die Todesstrafe verhängenden Bestimmungen betreffen 10 allein „Vergehen gegen das Christentum“, wie es missbräuchlich hieß. Hingerichtet wurde also, wer zum Beispiel Fleisch in der 14tägigen Fastenzeit aß, immer noch heidnische Bräuche ausübte oder Verstorbene zu Asche verbrannte.

Schon die Historiographen zur Zeit Karls heuchelten und logen. So beschrieb der Biograph vom Abt Sturmi von Fulda, der selbst ein Kommando führte und wie viele Bischöfe und Äbte Kriegsdienst leistete, die Sachsen als „das Volk, welches seit Anfang der Welt von den Fesseln der Dämonen umstrickt war“. Das war also der Grund, warum die Sachsen sich nach dem Völkermord „durch heilige Unterweisung im Glauben unter das sanfte und süße Joch Christi beugten“.
Die Mischung von germanischer Kriegs- und Kampflust und die sakrale Erhebung des Kampfes für den falschen Christus, letztlich den Antichristen, zu einer angeblich gottgewollten Mission ließ eine kriegsverherrlichende Ideologie entstehen, der sich die Historiographen geradezu manisch auslieferten, war es doch das in ihren Augen ehrenhafte Ansinnen, den Mächtigen und den Siegern zu huldigen – das nach dem kritischen Historiker Karl Heinz Deschner „vor ihnen auf dem Baucheliegen“. Die Tendenz zur Beschönigung, Verharmlosung und, was noch schlimmer ist, zur meist großzügigen Entschuldung von allem, was gegen Ethik und Moral verstieß, ist heute noch zu Gange. Solange die immer noch stark konfessionell ausgerichtete Geschichtsschreibung die echten christlichen und die ethischen Maßstäbe der Menschenrechte nicht anwendet und sich nicht getraut, danach zu werten, wird sie weiterhin das Geschichtsbild fälschen und den Verlauf der Geschichte schwerlich zum Besseren lenken. Demnach müsste eigentlich, angesichts der Massen an Kapitalverbrechen, Kaiser Karl der Große – Karl „der Schlächter“ heißen.

Welche missgestaltete Schimäre dabei herauskommen kann, wenn historische Verlogenheit und ethischer Anspruch sich vereinen, kann man beim Internationalen Karlspreise der Stadt Aachen feststellen. Der Verleihung dieses Preises liegt die historische Großtat eines blutig eroberten und zusammengeraubten Großreiches, die Vorwegnahme des geeinten Europas auf Kosten von Millionen von Opfern zu Grunde. Im groteskem Gegensatz dazu stehen Idee und Zielsetzung des Preises: „Der Karlspreis wirkt in die Zukunft, er birgt gleichsam eine Verpflichtung in sich, eine Verpflichtung von höchstem ethischen Gehalt. Er zielt auf freiwilligen Zusammenschluss der europäischen Völker, um in neugewonnener Stärke die höchsten irdischen Güter – Freiheit, Menschlichkeit und Frieden – zu verteidigen, den unterdrückten und notleidenden Völkern wirksam zu helfen und die Zukunft der Kinder und Enkel zu schützen.“
Eine Auszeichnung ist etwas Anspornendes, besonders, wenn so hohe ethische Ziele angestrebt werden. Für Europa haben sich viele Menschen verdient gemacht, unspektakulär, friedlich und ethisch wahrhaftig und unter eindeutigem Ausschluss von Gewalt – für Frieden, Menschlichkeit und Gerechtigkeit gegenüber Menschen, Tieren und der Natur.
Solche gilt es, zu nacheiferbaren Vorbildern zu erheben. Doch die Benennung des Preises nach Karl dem Schlächter ist ein Symbol für das Gegenteil, und es zeigt auf, dass die grauenhaften Wurzeln immer noch nicht ausgejätet sind.

Chlodwig, der „erste wahrhaft christliche König“ – keine Lichtgestalt, vielmehr eine finstere Figur des finsteren Mittelalters

Die Herrschaft der Merowinger – und als eine ihrer herausragenden Potentaten von Chlodwig – hinterließen wohl ein gewaltiges Großreich, wird als „Wegbereiterin für ein geeintes Europa“ gefeiert. Doch lässt diese Titulierung außer Acht, auf welche Weise diese Einigung zustande kam und wie diese Welt in diesem vereinten Reich wirklich aussah. Über die verwerflichen Charakterzüge und die ebensolchen Methoden der Machtgewinnung und Eroberungen der Nachbarvölker wurde schon berichtet. Die katholische Kirche verfehlte ihren Auftrag, diese Menschen nach echten christlichen Maßstäben zu korrigieren und zu erziehen, sie war Inspiratorin und gleichzeitig Teilhaberin an der Macht und Herrschaft. Die Herausbildung einer klerikalen und weltlichen Hocharistokratie, die über eine Masse von rechtlosen, abhängigen Bauern regierte und sie rücksichtslos ausbeutete, war das Ergebnis. Chlodwig hatte den Katholizismus aus reichspolitischen Gründen angenommen; er diente nun, als „Christentum“ getarnt, als ideologischer Überbau und ideologische Rechtfertigung dieses Herrschaftssystems. Weder weltliche noch geistliche Herren richteten ihre Herrschafts- und Lebensweise nach christlichen Maßstäben aus. Die Kirche passte sich dem Lebensstil der Aristokraten an.
Besonders der Kriegerstand wurde, nachdem Christus verhöhnt wurde, indem man ihn zum Kriegsgott umfunktionierte und als Königsidol den Rittern vorgesetzt hatte, zum nützlichen Instrument von König und Kirche, weitere Eroberungen von Ländern vorzunehmen und deren Völker zu unterwerfen und zu „christianisieren“, d. h. ihnen den katholischen Glauben aufzuzwingen. Das Gewaltpotenzial der Germanen und Franken, durch die katholische Gewaltreligion gefördert und auf die Spitze getrieben, brachte Jahrhunderte später das Raub- und das Kreuzrittertum hervor. Letzteres setzte die Kirche dann auch gegen die Konkurrenzreligion des Islam ein.
Durch die pausenlosen Kriegszüge, jeder gegen jeden, verarmte und verelendeten die bäuerlichen Volksmasse. Einher damit ging auch die sittliche Verelendung. Moral und Ethik der Gesellschaft unter den Merowinger und späteren Karolinger erreichten einen Tiefstand. Daran änderten nichts so genannte kulturelle Errungenschaften der Romanik wie Dome, Buchmalerei und Goldschmiedekunst, allesamt eine Kultur der herrschenden Schicht. Werte, wie das Gemeinschaftsdenken und die Naturverbundenheit der Vorväter, Kelten und Germanen, verschwanden. Die Ausbeutung der Natur großen Stils, wie Rodung von Wäldern, landzerstörende Jagdexzesse, ging von den riesigen Besitztümern hoher weltlicher und geistlicher Adligen aus. Die Kraft und die Erträge der Bauern wurden ausgenutzt und ausgebeutet, um einen luxuriösen Hofstaat zu halten. Das Geistesleben brachte wenig und die Wissenschaft gar nichts hervor, während im Orient Baukultur, Literatur, Bildungseinrichtungen, Philosophie, Medizin, Astronomie und Technik einen steten Aufschwung vollzogen.

Relikte des Mittelalters verhindern immer noch die Entfaltung eines freien Christentums

Die Herrschaft der Merowinger hat das Mittelalter geprägt. Zwar wurde der Kirche in der Säkularisation im 19. Jh. die weltliche Herrschaft über Land und Leute genommen, doch heute noch sind die alten Herrschaftsmuster erkennbar, sehr zum Nachteil für unsere Demokratie. So hat sich die unselige Kooperation von Kirche und Staat in vielen politischen und wirtschaftlichen Einrichtungen, Gesetzen und Prozessen erhalten. Die in der Verfassung garantierte Trennung von und Staat steht nur auf dem Papier. Der Staat treibt die Kirchensteuer (gemeint sind jeweils beide Konfessionen, katholisch und evangelisch) ein. Erst der Austritt befreit ihn davon. Obwohl der Staat keine Weltanschauung und ihre Organisation benachteiligen oder bevorzugen darf, erhält die Kirche zusätzlich zu den Milliarden an Steuern noch Milliarden an Subventionen. Das ganze Kirchenpersonal wird vom Staat bezahlt, der Bischof ist eine Art hoher Staatsbeamter. Die Kirche besetzt besondere Rechtsbereiche, in die sich die allgemeine Gesetzgebung, Justiz und Behörden nicht einmischen dürfen, z. B. das Arbeitsrecht in kirchlichen Betrieben. Der öffentlichen Kontrolle sind sie damit entzogen. Die religiöse Bildung in Schulen und Universitäten ist ganz in der Hand der Kirche, obwohl der Staat sie finanziert. Durch Verträge, sog. Konkordate, verpflichten sich die Länder, der Kirche Privilegien, vor allem aber Finanzierungshilfen zu geben. Immer noch ist die Kirche einer der mächtigsten Grundbesitzer und verfügt über ruhendes Kapital in Billionenhöhe. Der Vatikan ist der letzte absolutistische Staat der Welt, der Papst regiert darin wie ein Monarch. Seine Gläubigen sind ihm zum Gehorsam verpflichtet. Überhaupt sind katholische Führungspersonen, Beamte, Richter und Politiker angehalten, keine Entscheidungen zu treffen, die katholischen Glaubenssätzen zuwiderlaufen. Kirchenvertreter sitzen in allen wichtigen Entscheidungsgremien und steuern die Politik mit nach katholischen Prinzipien und katholischem Weltbild.
Dass diese Prinzipien mit den echten christlichen Prinzipien nichts zu tun haben, sollte eigentlich jedem ernsthaften Christen, der Christus nachfolgen und seine Gebote einhalten will, klar sein. In jedem Falle weiß er, soweit reicht seine Bibelkenntnis, dass Jesus von Nazareth nie von einer Weltmacht Kirche gesprochen hat. Im Gegenteil: Das Himmelreich ist inwendig in euch, sagte Er, lehrte es und lebte und wirkte selbst nach Seinen Geboten, bis die Priesterkaste Ihn auslöschte und an die Stelle der Macht der Liebe die Weltmacht Kirche setzte.
Es ist an der Zeit und es ist schon zugange, dass sich ein freies, persönliches, wahrhaftiges Christentum im Sinne von Christus, der einzig Weg, Wahrheit und Leben ist, entfaltet.

***

Literatur:
Urs Guggenbühl, Museion, Heft 2000/1/ 999
E. Ewig, Chlodwig I., Lexikon des Mittelalters, Bd. 2
Reinhold Kaiser, Die Franken: Roms Erben und Wegbereiter Europas?
Hans von Schubert, Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter
Karl Heinz, Kriminalgeschichte des Christentums, Frühmittelalter