Wichtiges zum Mordkomplott im Vatikan
Der dreifache Mord an zwei Angehörigen der Schweizer Garde und der Ehefrau eines der Gardisten im Mai 1998 wurde schnell einem der Ermordeten, dem jungen Schweizer Cédric Tornay (23), angelastet, der anschließend Selbstmord begangen haben soll. Sehr rasch wurde einer alarmierten Öffentlichkeit aber auch klar, dass an dieser vatikanischen Version einiges nicht stimmen kann und dass der angebliche Mörder und Selbstmörder bereits vor der Tat umgebracht worden oder zumindest bewusstlos geschlagen worden war.
Nun sind zwei Bücher erschienen, die die dramatischen Ereignisse neu aufrollen. Zum einen handelt es sich um die deutsche Ausgabe des bereits 1999 erschienenen Buches Bugíe di sangue in Vaticano (Blut-Lügen im Vatikan), das nun im Aufbau-Verlag unter dem Titel „Ihr habt getötet – der Machtkampf der Logen im Vatikan“ herausgegeben wurde (€ 16,90). Trotz des zeitlichen Abstands ist das Buch empfehlenswert. Zum einen ist es allein dadurch ein Dokument der Zeitgeschichte, dass die Autoren anonyme Kirchen-Insider sind, die sich hinter dem Pseudonym Discèpoli di veritá (Jünger der Wahrheit) verbergen müssen, um nicht von ihrem Arbeitgeber, dem Vatikan selbst, Schreibverbot oder weiter gehende Sanktionen zu erhalten. Zum anderen tauchen die „Wahrheitsjünger“ sehr akribisch, aber dennoch spannend, in den Ablauf der Tat und in die vielen Widersprüche ein, in die sich der Vatikan danach verstrickt hat. Die drei Toten fielen, so die Aussage des Buches, einem Machtkampf zwischen zwei Lagern im Vatikan zum Opfern: dem Opus Dei einerseits und den „Logenbrüdern“ andererseits. Einig waren sich die beiden Gruppen nach der Tat nur darin, sie so rasch und gründlich wie möglich zu vertuschen – was gründlich misslang.
Ähnlich sieht das auch Valeska von Roques, langjährige Korrespondentin des Spiegel in Rom, in ihrem Buch „Mord im Vatikan – Ermittlungen gegen die katholische Kirche“ (Hoffmann und Campe). Sie legt jedoch ihren Schwerpunkt mehr auf die menschlichen Hintergründe des rätselhaften Falles. Sie nimmt uns mit zur Mutter des angeblichen Mörders und Selbstmörders, die der Wahrheit auf den Grund kommen will und den ungleichen Kampf mit dem mächtigen Vatikan aufgenommen hat, der ihr bis heute alle rechtsstaatlichen Verfahrensrechte strikt verweigert. Wir erfahren, was für ein Mensch der junge Schweizer Gardist Cédric war – und die Version des Vatikans wird wie von selbst mit jeder Zeile unwahrscheinlicher. Wir erfahren andererseits, dass der ebenfalls ermordete, gerade eben erst zum Kommandanten der Garde ernannte Alois Estermann ein Karrieremensch war, ein ehrgeiziger und wenig beliebter Quereinsteiger, der Dossiers über seine Mitmenschen anlegte und über mächtige Gönner verfügen musste, vor allem im Opus Dei, um so rasch so weit zu kommen. Noch rätselhafter bleibt auch für die Autorin Estermanns Frau Gladys, die er offenbar nur geheiratet hat, weil das kurioserweise von einem Kommandanten der Schweizer Garde erwartet wird – ausgerechnet im zölibatären Vatikan, oder vielmehr: gerade dort, um den allgegenwärtigen Geruch der Homosexualität tunlichst zu vermeiden. Gladys Estermann, aus Venezuela stammend, war offenbar eher mit dem anderen Machtblock, dem der Logen, liiert. Durch welche Intrige die beiden dennoch zusammen fanden, bleibt unklar. Vorerst. Denn eines steht fest: Nicht erst mit diesen beiden Büchern sind die Mauern des Vatikans durchlässig geworden. Und es gibt immer weniger Menschen, die bereit sind, die, menschenverachtenden Allüren der letzten absolutistischen Despotie Europas noch länger hinzunehmen.