Hexenwahn, ein Thema für Jugendliche?

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Hexenwahn, ein Thema für Jugendliche?

Sind Bücher zum Thema Hexenverfolgungen, Hexenwahn geeignete Literatur für Jugendliche? Die Beschäftigung mit Geschichte in der Schule gehört zum Lehrplan. Neben der Vermittlung von Fakten sind jedoch weitaus wichtiger die Erkenntnisse, die wir den Vorkommnissen der Vergangenheit entnehmen können, um daraus dann Schlüsse zu ziehen, wie wir die Welt in Ethik und Moral voranbringen können. So besehen ist es durchaus sinnvoll, dass sich Jugendliche über den Geschichtsunterricht hinaus mit einschneidenden Epochen aus der Vergangenheit beschäftigen. Das Lesen von geeigneter Literatur, auch in Romanform, ist dazu eine gute Möglichkeit.
Die geschichtliche Betrachtung der Menschheitsgeschichte zeigt auf, dass massenhaft begangene Verbrechen wie Sklavenhandel, Indianerverfolgung, Hexenwahn und Apartheid von den jeweils Regierenden im Bunde mit Theologen, Juristen und Wissenschaftlern akzeptiert und häufig sogar gefördert wurde. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat man mitten unter uns Tausende von Männern, Frauen und Kindern einem Massenwahn geopfert.
Wenn sich nun Jugendliche mit einzelnen Schicksalen aus diesen Zeiten in Romanen näher auseinandersetzen, so können sie durch eine gefühlsmäßige Betrachtung die Tragik dieser Ungeheuerlichkeiten besser erfassen. Durch diese Geschichtsbetrachtung kann eine Wachsamkeit gegenüber aktuellen Vorkommnissen – wie z. B. Ausländerfeindlichkeit oder Diskriminierung von Minderheiten – entstehen und auch eine Bereitschaft, sich dafür verantwortlich zu fühlen und nicht „wegzuschauen“. Die Notwendigkeit zu mutigem Kampf gegen Unmenschlichkeit ist aktueller denn je.
So besehen sind Geschichtsromane, die sich z. B. mit Hexenverfolgungen befassen, durchaus ein Gewinn für jeden Jugendlichen. Hier sind drei Bücher zum Thema „Hexen“:

Leif Esper Andersen – „Hexenfieber“ (dtv junior)

Der Roman spielt in Dänemark, wo die Mutter eines Jungen und später auch ein Einsiedler, bei dem er Unterschlupf gefunden hat, dem Hexenwahn zum Opfer fallen. Dieser Einsiedler erklärt dem Jungen: „… Die große Menge? Die denkt doch überhaupt nicht nach. Die übernimmt einen ganzen Berg von Vorurteilen und hält sie für wahr. Und weil sie nicht gelernt hat nachzudenken und die Schuld auch einmal bei sich zu suchen, braucht sie ihre Sündenböcke …“ (S. 85) „… und es ist besser, du fliehst. Vielleicht wird es eines Tages auf der Welt auch für die Menschen Platz geben, die anders sind. Vielleicht …“ (S. 86)

Ingeborg Engelhardt – „Hexen in der Stadt“ (dtv junior)

Der Schauplatz dieses Romans ist in einer süddeutschen Bischofsstadt (vermutlich Würzburg) mitten im 30jährigen Krieg. Hunderte von Frauen, Männern und Kindern fallen der Hexenverfolgung zum Opfer. Eine kleine Gruppe findet sich in stillem Widerstand, vermag aber nichts auszurichten. In einem Gespräch heißt es: „… Es ist bekannt, dass auch der Heilige Vater die Auswüchse der Verfolgungen durchaus verurteilt. Wenn er nicht offen dagegen einschreitet, so einzig darum, weil es gefährlich ist, an diese Fragen zu rühren. … “ (S. 253)

Harald Parigger – „Die Hexe von Zeil“ (Schneider Buch)

Dieses Buch beginnt mit folgender Widmung: Für Johannes, Anna, Babel und die vielen anderen, die unschuldig gestorben und bis heute von keinem kirchlichen oder weltlichen Gerichten rehabilitiert worden sind.
Ursula Lamprecht, die 19-jährige Tochter des Bamberger Bürgermeisters, muss machtlos mit ansehen wie nach der Mutter auch der Vater der Hexerei angeklagt und verurteilt wird. Da sie verzweifelt versucht, dem Vater zu helfen, wird auch sie verdächtigt und in das Gefängnis nach Zeil am Main gebracht. Ein Gerichtsschreiber sagte in einem Gespräch: „Ich weiß nur eins. Wenn sie gestanden haben, so ist das kein Beweis für ihre Schuld. Irgendwann gesteht jeder, wenn man ihn nur lange genug foltert.“
In Zeil am Main wurden im 17. Jahrhundert tatsächlich die der „hexerey“ angeklagten Menschen konzentriert, um sie fernab der Bischofsstadt Bamberg „ungestört“ foltern und hinrichten zu können.